Daphne de Marneffe: „Die Lust Mutter zu sein“

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Märkische Allgemeine Zeitung– 04.03.2006

Daphne de Marneffe plädiert für das Kinderkriegen

BABETTE KAISERKERN

Dass Deutschland eine der niedrigsten Geburtenraten besitzt und auch in Europa mit einem Bevölkerungsrückgang in naher Zukunft gerechnet wird, hat schon viele Fachleute alarmiert. Trotzdem stellt sich die Frage, ob es für das offensichtlich mangelnde Interesse am Kinderhaben noch andere Gründe geben kann als fehlende Kinderbetreuungsplätze oder keine Ganztagsbetreuung in der Schule. Wie kann es sein, dass in einem so reichen Land wie der Bundesrepublik Deutschland nahezu jede dritte Frau kinderlos bleibt – und dass die Quote bei gut ausgebildeten und finanziell abgesicherten Frauen, speziell bei Akademikerinnen, noch viel höher liegt?

In ihrem Buch „Die Lust Mutter zu sein“ äußert die amerikanische Psychologin Daphne de Marneffe einige Aspekte, die in den öffentlichen Diskussionen über Kinder beziehungsweise Kindermangel nicht erwähnt werden, aber im Grunde nicht besonders neu sind. Ihre These lautet, dass das Leben mit Kindern eine Quelle für befriedigende, individuelle Erfahrungen darstellt, die emotionale, kreative und kommunikative Elemente einschließt. Doch die dazu nötige Bereitschaft, für andere da zu sein, ist spätestens seit dem berühmten Satz von Simone de Beauvoir „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“, prekär geworden. Denn während Frauen früher als Preis für gesellschaftliche Akzeptanz ihr ehrgeiziges, nach Erfolg strebendes Selbst häufig verleugnen mussten, werden sie heute mit derselben Wahrscheinlichkeit dazu gedrängt, ihr zutiefst emotionales Bedürfnis, für ihre Kinder zu sorgen, zu verbergen, schreibt Marneffe.

An dieser Stelle mögen viele Leserinnen entsetzt sein. Sollen die Frauen wieder die alten Rollen übernehmen, ein „roll back“ in längst vergangen geglaubte vorfeministische Zeiten?
Mitnichten. Marneffes Buch ist weder ein Ratgeber noch ein politisches Pamphlet und es geht auch nicht darum, die Errungenschaften der Frauenbewegung nieder zu machen. Marneffe möchte eine Lanze brechen für diejenigen, die sich aus freien Stücken für die persönliche Erziehung ihrer Kinder entscheiden. Dieser Anspruch wird im amerikanischen Originaltitel „Maternal Desire. On Children, Love and the Inner Life“ viel deutlicher als in der plumpen Übersetzung. Marneffes Argumentation basiert auf eigenen Erfahrungen als Mutter dreier Kinder, jahrelanger psychologischer Beratungstätigkeit sowie auf der Lektüre von zahlreichen wissenschaftlichen Fachtexten. Letztlich stellt die Autorin die Teilnahme am lebendigen Dasein über den Besitz schnöder Waren, ebenso wie der von ihr zitierte Psychologe und Philosoph Erich Fromm in seinem Buch „Haben oder Sein“. Gerade beim Zusammenleben mit Kindern können sich ihrer Meinung nach Wünsche an individuelle, selbst bestimmte Lebensformen erfüllen: „Bei all unserem Gerede über Produktivität ist die wahre Verschwendung die: In der kurzen Phase unseres Lebens, in der unsere Kinder uns das bedingungslose Geschenk machen, uns über alles in der Welt zu lieben, ziehen wir uns zurück, als dürften wir das nicht einmal spüren, ohne durch irgendeine Geste zu beweisen, dass wir es auch verdienen.“

Daphne de Marneffes Buch erschreckt vielleicht diejenigen, die auch bei den Vorgängen des Lebens an mechanische Mach- und Planbarkeit glauben und wenig Verständnis für subtiles, inneres Erleben haben – aber ihre luzide, tiefsinnige Argumentation für ein empfindsames, beide Seiten bereicherndes Kommunizieren zwischen Mutter und Kindern überzeugt durchgehend. Auch die Fragen zur niedrigen Geburtenrate erscheinen danach in neuem Licht.

Daphne de Marneffe: Die Lust Mutter zu sein. Kabel by Piper, 460 Seiten, 24,90 Euro.


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